Donnerstag, 21. Juli 2016

Stopp!

Aussage zurückgezogen.
"Alles war wie vorher" - falsch. Völlig falsch. Alleine die Tatsache, dass ich gerade "völlig" fast mit F geschrieben hätte, zeigt mir, dass mein Kopf hier in Deutschland immer noch total hinterherhängt.
Auf den ersten Blick war es wirklich wieder normal, daheim zu sein. Schwester, Papa, Mama, Haus, Bett, Klavier, Fahrrad: Alles da, was vorher auch da war. Woran ich gewöhnt war. Schulkameraden haben noch dieselbe Haar- und Augenfarbe, dieselbe Stimme. Sitzen aber jetzt in verschiedenen Klassenzimmern.
Freundschaften haben sich verändert - wer sich früher nicht kannte, ist jetzt dicke, wer sich vorher gut verstanden hat, redet jetzt kein Wort mehr miteinander. An der Schule wurde umgebaut, es sieht anders und doch vertraut aus, der eigentlich genau gleich gebliebene Alltag stößt mit dem sich-wieder-an-alles-gewöhnen-müssen zusammen.
Zehn Monate? Machen viel aus.
Was mir vorher und auch noch in Schweden bekannt und bequem vorkam, stellt sich in meinem Kopf quer. Den Lehrer siezen? Warum denn, er duzt mich doch auch? - Um Gottes Willen, der Overheadprojektor ist unscharf - warte, warum gibt's die überhaupt noch? Wo sind die Computer eigentlich? Und meine Internetflat ist schon wieder aufgebraucht, ich bin es nicht mehr gewohnt, nur so kleine Datenmengen und nirgends freies WiFi zu haben. Die Züge sind so unkomfortabel hier. Und es regnet. Und überhaupt, warum rauchen hier so viele Menschen? Gab es in Schweden auch so viele Graffitis? Jetzt ist es mir zu warm, wo ist denn hier der nächste See, in den ich ohne zu fragen reinhüpfen könnte?
Alle haben unterschiedliche Unterrichtszeiten; es ist unmöglich, alle Leute, mit denen man früher ein Jahr lang jeden Tag in einem Zimmer saß, überhaupt zur selben Zeit - oder am selben Ort - zu sehen. Stückchenweise kriege ich mit, wie sehr man sich trotz aller Wiedersehensfreude voneinander entfernt hat, wie schnell unsere Leben unterschiedliche Bahnen eingeworfen haben. Ich erkenne noch Parallelen, aber auf der genau gleichen Spur befindet sich niemand mehr so richtig. Ist das dieses verpönte erwachsen werden?
In diesem Jahr habe ja nicht nur ich mich weiterentwickelt - und das muss ich noch begreifen.
Auf einem älteren Schwedenblog habe ich vor Jahren diesen Satz gelesen: Nach Hause gehen ist wie Rückwärtsgang nach einer Vollbremsung.
Stimmt schon: Das schwedische, in Fahrt gekommene Leben habe ich hinter mir gelassen, dann habe ich die Vollbremsung hingelegt, und dann war ich plötzlich wieder Deutsche, was jetzt aber irgendwie nicht mehr so richtig funktioniert - da ich mir bei dieser Vollbremsung irgendwie den Kopf gestoßen habe und nicht mehr klar denken kann.  Oder so.
Nicht unbedingt lustig, finde ich. Aber vielleicht kann ich irgendwann mal über das alles lachen. Höhen und Tiefen, wie ihr wisst, vergesst das nicht! Es wird auch wieder besser. War ja in Schweden genauso!

Hejdå, mitt älskade Sverige. ha det så superbra, jag kommer tillbaka, jag lovar
Vera

Donnerstag, 7. Juli 2016

Viel zu viel

zu erzählen. Wo fang' ich an?
Hier:


ÖLAND
Vor der großen Tour nach Lappland machten meine Gastmama und meine Gastschwester mit mir noch einen kurzen Trip nach Öland, eine kleine Insel vor der Ostküste Schwedens. Alte Reihendörfer und Holzwindmühlen erwarteten uns und auf der kleinen Insel lief der Alltag irgendwie ein wenig langsamer ab als auf dem Festland. 




LAPPLAND
Die letzte vollständige Woche in Schweden verbrachte ich schließlich im hohen Norden Schwedens - ein letztes Mal alle anderen Austauschschüler sehen, ein letztes Mal schwedischen YFU-Spirit spüren, ein letztes Mal heimkommen zur Gastfamilie. Das nächste Heimkommen war dann das ins Heimland, aber dazu komme ich später. Erstmal ein paar Impressionen zum leider verregneten, aber rund um die Uhr hellen Wunderland über dem Polarkreis.


Teil der Lapplandsreise waren die 20 Stunden Hin- und Rückfahrt mit der Arctic Circle Train, die uns von Stockholm nach Björkliden und von Kiruna wieder nach Stockholm brachte. Allein diese paar Stunden Zugfahrt mit mehr als 40 anderen Austauschschülern waren ein einzigartiges Abenteuer, das wir alle so schnell nicht wieder erleben, vor allem aber niemals vergessen werden!


Und auch wenn das Wetter die meiste Zeit zum Haare raufen war, gelang es einem im hohen Norden doch irgendwie immer, der Umgebung etwas abzugewinnen. 






MIDSOMMAR

Mittsommer wurde fast direkt nach der Heimkunft aus Lappland gefeiert. Kränze wurden geflochten und es war auch überhaupt nicht komisch, dann den ganzen Tag - auch unter Leuten - damit auf dem Kopf herumzulaufen. Eine Sache, in der die sonst so unauffällig sein wollenden Schweden sich einmal nicht zu schade für sind. 
Der Tanz um die Mittsommerstange musste dann für mich leider ausfallen, da die Lapplandswanderungen mir noch in den Kniegelenken festsaßen - aber Zuschauen war genauso amüsant! Dieser eine Tag im frühen Sommer verwandelte die so vom Winter gebeutelten Schweden in lachende, singende, um eine Stange kreiselnde Masse glücklicher Menschen.



Und dann war es auch schon Zeit für den Abschied. Dieser eine große Abschied, den man sich schon seit man in der Familie ankam vor Augen halten musste. Der, über den alle früheren Austauschschüler Horrorgeschichten erzählten. 
Aber auch dieser Abschied war mal vorbei und ich war alleine auf dem Weg zum Gate, wie damals in Deutschland: mit Tränen in den Augen und ein bisschen zu viel Gepäck. 


Das YES in Berlin wirkte dann wie ein Puffer zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Man war nicht mehr im Ausland, aber man war auch nicht zuhause. Es war ehrlich gesagt anstrengend, über Innovationen und Journalismus zu reden während die Stimmen im Hinterkopf hysterisch über den Fakt diskutierten, dass man in 4 Tagen wieder in seinem deutschen Bett schlafen würde. Aber auch das überlebte ich, und schließlich, nach nochmal vielen vergossenen Abschiedstränen und durchmachten Nächten, schließlich saß man dann wirklich im Bus nach Hause. Was auch immer das bedeuten sollte.

Aber schließlich stieg ich aus dem Bus, schloss meine Mami in die Arme, meine Schwester, meinen Papa, und ganz plötzlich, ohne ein Stocken oder Zögern, war ich zuhause angekommen. Alles war wie vorher - außer die Tatsache, dass in unserem Garten eine schwedische Flagge gehisst worden war. Für mich. Weil doch jetzt ein Teil von mir schwedisch ist.

Vera







Ps: Bilder werde ich später hinzufügen, ich bin wieder im Genuss meines deutschen (so gut wie nicht vorhandenen) W-LANs, das dauert alles ein wenig länger...Sorry dafür!